Adrian Holter im Interview mit dem Hernsteiner
Eine Übergabe gehört gemanagt
Interview mit Adrian Holter
Mehr als die Hälfte der "Familienunternehmen" scheitert beim Übergang von der ersten zur zweiten Generation, magere 5 Prozent schaffen den Wechsel zur dritten Generation. Widersprüchliche Erwartungen, Wünsche sowie nicht geklärte Befürchtungen und Ängste von Senior und Junior können wenn sie nicht geklärt werden eine verheerende Dynamik in Gang setzen. Ein Gespräch mit dem "Unternehmensnachfolger" Adrian Holter.
Mein Vater hat die Firma 1958 als Vertriebsvertretung für mehrere ausländische Werkzeug-Hersteller gegründet. Bis 1980 hat er das Unternehmen zu einer Größe von ca. 3 Mio. DEM Umsatz mit etwa 20 Mitarbeitern ausgebaut. Ich selbst habe sechs Jahre in Deutschland und Frankreich gearbeitet, bin dann im Herbst '78 zurückgekommen und ins Unternehmen eingestiegen. Im Jahr darauf hat sich die Frage der Übergabe gestellt, und wir haben bald gemerkt, daß das nicht einfach wird. Mein Vater war es dann, der gesagt hat "So geht' s nicht weiter. Es muß was geschehen" und dann externe Berater geholt hat. Das fand ich schon sehr mutig, daß er da nicht so reagiert hat, wie viele es sonst tun, nach dem Motto: "Ich habe immer alles selbst gemacht, also auch die Übergabe, Augen zu und durch!"
Wie haben Sie die Berater gefunden?
Mein Vater kannte aus einem Gruppendynamik-Seminar bei Hernstein einige Berater und hat dann von sich aus Kontakt gesucht und gefragt: Seid ihr willig und fähig, so eine Übergabe zu moderieren und zu begleiten? Das waren dann letztendlich zwei Berater. Der eine hat das Hauptaugenmerk auf den betriebswirtschaftlichen Faktoren gehabt und der zweite auf den sozialen.
Was waren die ersten Schritte?
Die beiden Berater haben mit uns am Anfang eine dreitägige Klausur gemacht. Da ging es von Beginn weg um das Erheben des Status quo Was ist überhaupt Thema? sowohl auf der ökonomischen Ebene, was Betrieb und Organisation anbelangt, als auch was das Persönliche anbelangt. Seien es Ängste und Befürchtungen, auch Wünsche von Senior und Junior: Mein Vater wollte, daß das, was er aufgebaut hat, nicht im Zuge der Übernahme irgendwie verschwindet. Und ich wollte mit meinen 28 Jahren ein Pouvoir haben, damit ich auch was bewegen kann. Nach den drei Tagen da ging es teilweise hoch her haben uns die Berater vor die Entscheidung gestellt und gefragt: "O.k. wollt ihr jetzt oder nicht? Ihr müßt beide ein klares Committment abgeben, sonst macht ihr allein weiter, ohne uns." Also haben wir uns beide durchgerungen, uns voll auf diesen Prozeß einzulassen.
Wie hat sich eigentlich Ihr Einstieg gestaltet?
Meine Rolle war eigentlich nicht geklärt. Mein Vater hat mir zwar wohl eine Funktion zugeteilt, aber in der Organisation selber bin ich komplett aufgelaufen. Er hat mich als Verkaufsleiter vorgestellt, eine Funktion, die es damals gar nicht gab. Das hat er so gemacht, daß er mich den Mitarbeitern vorgestellt hat da mußte ich ihn auch triezen, daß er das überhaupt macht -, und da hat er dann gesagt: "Mein Sohn spielt ab jetzt Verkaufsleiter." Damit war schon sehr viel gesagt. Heute würde ich sagen, das war eine Scheinkompetenz, denn die wirklichen Entscheidungen sind an mir vorbeigelaufen.
Ich war unzufrieden, daß für mich nichts geblieben ist, außer einer Sandkiste zum Spielen. Der Druck, den ich dann gemacht habe, hat meinen Vater sicher verunsichert. Darauf hat er mit noch mehr Abschottung reagiert, und so hat sich das wechselseitig aufgeschaukelt. Auf der Klausur haben wir halt zum ersten Mal strukturiert und vernünftig über unsere Wünsche und Ängste gesprochen. Es war wichtig, daß das einmal alles auf den Tisch kommt, daß der jeweils andere das einmal hört und vor allem von den Beratern in die Pflicht genommen wurde, damit auch umzugehen. Also: Was machen Sie denn mit den Ängsten Ihres Vaters, der nicht will, daß sich das Unternehmen in den nächsten Jahren in Schall und Rauch auflöst? Umgekehrt: Was macht er mit meinem Anspruch, eine verantwortungsvolle Position haben zu wollen? Da haben wir wechselweise gelernt, aufeinander zuzugehen.
Ein zentrales Thema ist oft dieser innere Konflikt "Ich möchte übergeben" aber gleichzeitig die Überzeugung "Keiner kann es so gut wie ich" und "Ohne mich geht die Firma unter".
Das ist richtig. Das ist sicher vor allem in der ersten Generation sehr stark zu finden. Mein Vater hatte ja keine kommerzielle Ausbildung, der hat sich das alles autodidaktisch angeeignet, und das hat er sehr schnell und gut gelernt. Da seine Position einmal in Frage zu stellen es gibt auch andere Wege nach Rom -, das war nicht ganz einfach.
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Was passierte nach dem ersten Workshop?
Wir haben uns einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren gesetzt und zwei grobe Richtlinien definiert. Auf der Organisationsebene wollten wir zuerst einmal den Ist-Zustand erheben: Wo machen wir welche Umsätze, wo entstehen welche Deckungsbeiträge, wo gibt es welche Kosten, wie funktioniert die Organisation? Und darauf aufbauend ein Wunschbild entwickelt: Wo wollen wir denn hin? Welche Märkte, welche Kunden, mit welchen Kosten und welcher Organisationsform? Parallel dazu haben wir auf der sozialen Ebene in Einzelgesprächen mit dem einen Berater weitergearbeitet. Da ging es ausschließlich um die persönlichen Dinge wie Vater-Sohn-Konflikt, Autoritätsproblematik, persönliche Befindlichkeit.
Außerdem haben wir die Mitarbeiter in einer gemeinsamen Klausur davon informiert, daß die Übergabe ansteht, daß wir uns dazu externe Hilfe holen, und daß wir in einem ersten Schritt einmal Daten erheben. Dann haben wir uns in halbjährlichen Klausuren, meist zweitägig und mit den Mitarbeitern der "zweiten Ebene", langsam an das Soll-Bild herangewagt, wobei da mein Vater nicht dabei war. Er hat für sich definiert: "Ich schiebe die Übergabe an, aber wenn es dazu kommt, ist das Zukunftsbild nicht mehr meines."
Im Zuge dieses Prozesses haben wir schließlich auch einen Stufenplan erarbeitet, wo wir klar definiert haben, ab wann ich welche Verantwortung übernehme. Stichtag 1: den Vertrieb. Stichtag 2: die interne Organisation ... Da haben wir sieben, acht Stufen fixiert. Bis zur letzten Stufe blieb meinem Vater das Controlling, d.h. die Macht über die Finanzen. Da wurde es dann noch einmal ganz heiß, denn zum Zeitpunkt der endgültigen Übergabe wollte er dann plötzlich nicht mehr aussteigen.
Warum dieser Meinungsumschwung bei Ihrem Vater?
Zum einen haben sich die Zahlen etwas verschlechtert, wir haben damals gerade kräftig investiert. Das hing damit zusammen, daß in den letzten Jahren der Tätigkeit meines Vaters nicht mehr allzuviel an Investitionen passiert ist. Mit dem Argument, "Das mach nicht ich mehr, das soll mein Sohn machen". Dadurch stand viel an: Übersiedelung, neue EDV und dazu viele Mitarbeiter gleichzeitig in Pension. Zum anderen ist genau zu der Zeit ein Konjunktureinbruch gekommen. Nach außen war das Argument: Die Zahlen sind nicht so wie geplant, da kann ich nicht übergeben. Und emotional sicher: Jetzt geb' ich es wirklich aus der Hand. Das war ziemlich belastend. Ich bin dann nach vielen Überlegungen zum Entschluß gekommen: Wenn er will, kann er gerne weitermachen. Ich mit meinen 29 Jahren find' mir am Markt was anderes. Weiter aneinander zu reiben bringt aber nichts.
Also die Entscheidung: "Gehe ich oder er"?
Ja. Nachdem ihm lieber war, daß ich hier weitermache, ist er dann doch hinausgegangen. Das heißt aber auch: Irgendwann kommt man an den Knackpunkt, der auch mit Moderation und Beratung nicht zu verhindern ist. Die Entscheidung: entweder oder.
Nach der endgültigen Entscheidung Mitte '82 war er dann zuerst noch zwei Tage die Woche im Büro, dann einen Tag, bis er eines Tages gesagt hat: "Ich brauch' eigentlich kein Büro mehr." Danach haben wir uns dann alle zwei Wochen zusammengesetzt, und ich hab' ihn informiert, was gerade passiert. Zuerst sehr ausführlich, das wurde dann im Lauf der Zeit immer globaler.
Was hat sich dann in den letzten Jahren getan?
Der nächste einschneidende Schritt war, als mein Vater und ich uns vor etwa 5 Jahren hingesetzt und überlegt haben: Was passiert mit dem Unternehmen, wenn Österreich zur EU kommt? Es war ziemlich klar, daß wir die Eigenständigkeit einmal aufgeben müssen. Das Szenario war, die Industrie wird immer stärker, und die Kunden, der Einzelhandel, werden immer stärker, dazwischen geraten wir zwischen die Mühlsteine: Die ursprünglich 10-12 Lieferanten haben sich im Zuge des EU-Beitritts auf einige wenige reduziert, und es wurde gang und gäbe, direkt aus Deutschland zu liefern.
Mein Vater hatte sich damals schon emotional genügend distanziert, da war das kein Problem mehr. Wir haben dann einem Lieferanten, auch ein Familienunternehmen, einmal 10 % Anteil verkauft, und Ende '96 hat dieser Partner dann die restlichen 90 % gekauft. Das war ein gemeinsamer Entschluß. Seitdem bin ich daher nur mehr Geschäftsführer, nicht mehr Eigentümer. Der bedeutendste Unterschied ist wohl der Wegfall der persönlichen Haftung und ich hab die Banken nicht mehr im Kreuz. Dafür bin ich nun Manager und nicht mehr Eigentümer. Was allerdings nicht absehbar war: Ein halbes Jahr nach dem Verkauf an das deutsche Familienunternehmen sind die dann selbst übernommen worden. Die beiden Eigentümer waren schon über 70 und haben aus verschiedenen Gründen keinen in der Familie gefunden, der übernehmen hätte können. Also haben sie dann an ein Unternehmen verkauft, und plötzlich gehörten wir zu einem "Familienunternehmen" mit Konzernstruktur und 180 Auslandstöchtern, die über Kennzahlen geführt werden. Nur zum Vergleich: Wir hatten zum Zeitpunkt des Verkaufs 15 Mio. DM Umsatz, der Familienbetrieb, an den wir verkauft haben, hatte ca. 300 Mio. DM Umsatz, und der endgültige Eigentümer machte ca. 6 Mrd. DM Umsatz.
Angenommen, es hätte diese begleitende Übergabe nicht gegeben?
Dann wären wir uns ordentlich in die Haare geraten, und ich hätte das Unternehmen vermutlich verlassen. Mein Vater hätte noch ein paar Jahre weitergemacht, und dann hätte er sich einen externen Geschäftsführer suchen müssen, um sich dann mit dem auseinanderzusetzen. Vielleicht wäre das leichter gegangen, vielleicht hätte mein Vater aber auch gesagt: "Ich verkauf' es komplett".
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